Wenn ich nach dem EINEN Schreibtipp gefragt werde, mit dem Sachbücher stilistisch deutlich besser werden, dann sage ich: durch die systematische Eliminierung des Nominalstils.

Wer nicht weiß, was der Nominalstil ist, sieht sich bitte den vorangegangenen Satz an. Warum habe ich nicht geschrieben: Vermeiden Sie systematisch den Nominalstil? Weil ich noch strenger klingen wollte. Das bewirkt der Nominalstil.

Im Nominalstil werden Substantive aneinandergereiht, um Verben zu ersetzen. Nebensätze gibt es keine. Ebenfalls abwesend sind handelnde Personen. Die Sätze klingen unpersönlich und steif.

Abstraktes Vokabular durch plastische Verben ersetzen

Autorinnen und Autoren neigen im Nominalstil zu einem abstrakteren Vokabular. Das folgende Beispiel habe ich mir ausgedacht, Ähnliches lese ich aber jeden Tag.

Die Bepflanzung des Blumenbeets erfolgt nach der Durchführung der notwendigen Planungen im Rhythmus der Jahreszeiten.

Das Verb erfolgen und das Substantiv Durchführung passen nicht in ein Sachbuch, das lebendig Wissen vermitteln will. Direkter und plastischer ist eine Formulierung wie diese:

Planen und bepflanzen Sie Ihr Blumenbeet im Rhythmus der Jahreszeiten.

Sie wollen oder können Ihre Leserinnen und Leser nicht im Stil eines Ratgebers ansprechen? Verwenden Sie die dritte Person. Setzen Sie beispielsweise als Subjekt die Gärtnerinnen und Gärtner ein.

Gesucht: handelnde Personen

Dass Akteurinnen und Akteure benannt werden müssen, macht den Verbalstil so viel freundlicher und narrativer. Aber auch anstrengender, denn das erfordert Präzision und Festlegung. Schreibratgeber für Sachbücher empfehlen mittlerweile einstimmig, diesen Schritt zu gehen.

Ich habe einen weiteren Grund, für Sachbücher mit handelnden Menschen einzutreten. Als Historikerin bin ich durch meine Ausbildung stark geprägt. Für klassische Methoden wie die Quellenkritik beispielsweise ist es zentral zu erforschen, wer genau gehandelt hat.

Naturwissenschaften und Rechtssprache

In anderen Fachcommunities sieht das anders aus: Expertinnen und Experten aus den Naturwissenschaften veröffentlichen Fachtexte traditionell im Nominalstil. Das liegt am Gegenstand und dem Blick darauf. Individuelle Personen sind im Text häufig nebensächlich, im Vordergrund stehen Relationen und Ergebnisse.

Auch in der Rechtssprache ist der Nominalstil fest verankert. Die Linguistin Els Oksaar weist darauf hin, dass beispielsweise Widerspruch einlegen nicht gleichbedeutend ist mit widersprechen. Das eine bezeichnet einen formalisierten Vorgang, das andere eine alltägliche und nicht näher bestimmte Handlung.

Drei Schritte für die Praxis

Hier nun drei Tipps, um dem Nominalstil beim Buch schreiben zu entkommen:

1. Sich der eigenen Schreibprägungen bewusst werden

Sie haben sich selbst im Verdacht, gerne im Nominalstil zu schreiben? Weil das in Ihrem Umfeld die übliche Form der Kommunikation ist?

Dann haben Sie den ersten Schritt schon getan und begonnen, sich Ihre Prägungen bewusst zu machen. Wir passen uns schließlich dem Stil und dem Vokabular unserer Umgebung an. Verschiedene Wissenschaften und Berufe, ja sogar Unternehmen entwickeln hier eigene Normen.

2. Eine Fokus-Korrekturrunde planen

Eine prüfender Blick zeigt ganz schnell, dass sich in Ihrem Text viel Nominalstil versteckt? Planen Sie für den Feinschliff eine Fokus-Korrekturrunde ein, in der Sie nur dem Nominalstil zu Leibe rücken. Alles andere kann warten.

3. Alternativen formulieren

Wenn Sie nach Alternativen suchen, liegt es an Ihnen, wie Sie vorgehen: Sie können Leserinnen und Leser häufiger mit Sie ansprechen oder die dritte Person einsetzen. Das kommt darauf an, was Sie für ein Buch schreiben: ein wissenschaftliches Handbuch oder einen Ratgeber, eine Hausarbeit oder ein Sachbuch.

Fazit

Der Nominalstil hat seinen Platz in wissenschaftlicher Fachkommunikation, Rechts- und Verwaltungssprache. Dort erfüllt er (meistens) den Zweck, Informationen zu verdichten, Bezüge ohne Nebensätze herzustellen und Inhalte auf weniger Raum zu präsentieren. Sobald es ums Erzählen geht, stört der Nominalstil den Lesefluss und verkompliziert den Text.

Ich habe in diesem Beitrag natürlich die Auswüchse des Nominalstils behandelt. Sparsam eingesetzt ist gegen einzelne Nominalwendungen nichts zu sagen. Fragen Sie im Zweifelsfall das Lektorat!

Literatur:

Els Oksaar, Fachsprachliche Dimensionen, Tübingen 1988.



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