Ein Schreibtipp, dem ich immer wieder begegnet bin, lautet: Wenn du nicht weißt, wie du schreiben sollst, dann schreib für deine Oma. Stell sie dir als Leserin vor, die in deinem Aufsatz oder deiner Hausarbeit alles versteht.

Ich erinnere mich, dass ich diesen Tipp zum ersten Mal an der Uni erhalten habe, in einem studentischen Tutorium über Hausarbeiten. Gefühlt ist der Oma-Ratschlag aber überall, also habe ich ihn ausprobiert. Funktioniert hat er in meinem Fall nicht.

Für wen schreiben wir?

Eine konkrete Person beim Schreiben im Kopf zu haben, kann helfen. Was nicht hilft, ist, sich auf die beliebte Variante mit der Oma zu versteifen. Es gibt sicher auch Bücher und Texte, für die Oma die Traumleserin ist. Kommt ja auch auf die Oma an! Aber sie ist eben nicht Zielgruppe für alles.

Schreiben funktioniert also adressatenorientiert. Aber wer sind diese Adressatinnen und Adressaten, und wie können wir Kontakt aufnehmen?

Raus aus der Textwüste

Eine Möglichkeit ist, im persönlichen Umfeld nach Menschen zu suchen, die Sie sich als Publikum für Ihr Buch gut vorstellen können. Sprechen Sie mit dieser konkreten Person über Ihr Buch. Nicht auf Smalltalkebene, sondern richtig.

Das kostet am Anfang Überwindung und erfordert Vertrauen. Gerade in Motivationstiefs und dann, wenn die inneren Kritikeräffchen wüten, erdet es aber, die Textwüste zu verlassen und Dialog mit konstruktiv denkenden Menschen zu suchen.

Erzählpfade im Gespräch entwickeln

Beobachten Sie sich während des Gesprächs selbst:

  • Wie erzählen Sie?
  • In welcher Reihenfolge?
  • Was erklären Sie genauer oder besonders eindringlich?
  • Wie ist Ihre Wortwahl?

Das zeigt Ihnen schon wichtige Erzählpfade auf.

Wenn Sie ein Sachbuch schreiben, ist das Gegenüber vielleicht ein Kollege – oder, anders gedacht, eine fachfremde Freundin, wenn Sie Laien erreichen wollen. Gerade wenn Sie an einem erzählenden Sachbuch sitzen, fallen Ihnen sicher eine ganze Reihe von Menschen ein, die Interesse haben könnten. Die Oma?

Neue Perspektiven im Dialog

Gehen Sie dann in den Dialog und erfahren etwas mehr über die Gedanken und Ideen Ihrer potenziellen Leserinnen und Leser.

  • Welche Aspekte finden sie besonders anschlussfähig?
  • Wie wünschen sie sich die Aufbereitung von Wissen?
  • An welchen Stellen finden sie beispielsweise Humor angebracht, an welchen nicht?
  • Sagen sie etwas, das Ihnen bisher überhaupt noch nicht in den Sinn gekommen ist?

Diese neuen Perspektiven sind in der Umsetzung für Ihr Buch überhaupt nicht verbindlich. Aber allein schon vom Schreibtisch aufzustehen und eine Reaktion zu bekommen – und sei es nur ein Gesichtsausdruck! – wirkt Wunder für Motivation und Gedankenfluss.



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