Deine Mini-Community beim Schreiben
Wenn du schreibst, bist du in intensiven Phasen viel allein. Mit der Zeit wird es immer schwerer, aus deiner eigenen Welt rauszukommen und über dein Schreibprojekt zu reden.
Du hast vielleicht das Gefühl, dich erst mit etwas Fertigem zeigen zu dürfen. Das haben wir oft noch so gelernt.
Trau dich raus
Wir brauchen Zeit zum ungestörten Arbeiten. Aber neben diesen Fokus-Phasen ist Zeit für Austausch wichtig. Suche dir Menschen, denen du vertraust und die dich auf den verschiedenen Etappen deines Schreibprojekts begleiten – im Gespräch.
Ich meine damit nicht nur Austausch über das Schreiben allgemein, dein Zeitmanagement, deine Schreibsoftware … sondern vor allem Austausch über dein konkretes Schreibprojekt, deine Texte. Entwürfe, Rohfassungen. Die noch nicht schön formatiert, sortiert, geschliffen sind.
Eine Mini-Community für dich
Baue dir eine kleine, aber feine Community, die es auch aushält, wenn es mal intensiv wird – weil du gerade versuchst, einen Knoten zu lösen oder du drauf und dran bist, deine Gliederung über den Haufen zu schmeißen.
Diese Community kann aus zwei oder drei Menschen bestehen: Einer Vertrauensperson, die dich im Prozess begleitet. Das kann dein Partner sein, eine Freundin, der Kontakt aus der Schreibgruppe. Und ein paar Testleser*innen, die später dazukommen.
Bevor wir uns genauer ansehen, wie deine Mini-Community dich unterstützen kann, erst mal eine Frage:
Was hast du überhaupt davon, vom Schreiben zum Reden zu wechseln?
Vier Vorteile, wenn du über dein Schreiben sprichst
Wenn du einem Gegenüber etwas erklärst, machst du automatisch drei Dinge:
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Verknappen und essenzialisieren
Um einigermaßen kohärent zu erklären, musst du ganz viel Krach und Nebenspuren, ganze viele "Abers" in deinem Kopf erstmal ausblenden. Das hilft mit der Klarheit und Struktur. -
Reflektieren und nach Lösungen suchen
Du bist gezwungen, deinen eigenen Arbeitsprozess zu prüfen und Knoten zu bearbeiten – denn du musst dein Gegenüber gut abholen, damit überhaupt klar ist, wo du gestartet bist. -
Gesprochene Sprache sprechen
Du findest oft bessere Möglichkeiten, etwas auszudrücken. -
Blinde Flecken erkennen
Du erhältst direkt Feedback und erkennst, was noch fehlt, unklar ist, wo du falsch abgebogen bist oder die Dinge verkomplizierst.
Vertrauensperson(en) gesucht
Du kannst so anfangen: Gibt es vielleicht eine Person, die sich ins Vertrauen ziehen lässt und sich als Gesprächspartner*in eignen würde? Die bereit ist, Zeit dafür einzuplanen? Die auch Unausgegorenes mit Respekt behandelt? Über Gedanken und Ideen zu sprechen, kostet immer Überwindung. Es bedeutet schließlich, dass deine Idee deine Welt verlässt und Fragen standhalten muss. Du gibst etwas von dir preis.
Drei Ideen, wie ihr ins Arbeiten kommt
- Beginnt mit dem mündlichen Blitzexposé
Ihr könnt regelmäßige Gespräche verabreden, in denen du von einem Problem erzählst oder deiner aktuellen Arbeitsphase.
Eine Idee für euer erstes Gespräch: Du stellst den Timer und fasst dein Projekt in fünf Minuten mündlich zusammen. Deine Vertrauensperson schreibt mit? Schon hast du ein Blitzexposé.
- Gewöhnt euch an zu protokollieren
Wichtig ist auch die Reflexion des Gesprächs: Am besten schreibst du ein Protokoll, um alle Durchbrüche, neuen Fragen, Geistesblitze festzuhalten. Damit gehst du in eine deiner nächsten Schreibsessions.
- Gib Entwürfe für Feedback frei
Irgendwann ist es dann so weit: Es gibt einen Entwurf, aus dem vielleicht einmal ein Kapitel werden könnte. Gib ihn zum Lesen frei und bitte deine Vertrauensperson um mündliches Feedback.
Das mag dich Überwindung kosten, ist aber das absolut Hilfreichste, was du beim Schreiben machen kannst: Dir direkte Reaktionen auf deinen Text holen.
Schreibtandem
Vielleicht findet sich sogar eine Person, die selbst an einem Schreibprojekt arbeitet? Es ist kein Muss, aber toll, wenn sich daraus ein Tandem gibt: Dann haben beide etwas zu geben. In wissenschaftlichen Communities ist das schon länger eine Praxis, allerdings eher unter Studierenden als in der weiteren Qualifikation.
Testleserinnen und -leser
Sie spielen eher in späteren Phasen des Buchprojekts eine Rolle. In deinem Freundes- und Bekanntenkreis gibt es Leute, die du der Zielgruppe zuordnen würdest? Super! Sie kannst du auf verschiedene Kapitel oder Teile ansetzen, weil dich ihre Perspektive interessiert.
Am besten suchst du dir dein Feedback mit konkreten Fragen: Wie findest du die Tonalität? Ist das, was ich schreibe, plausibel? Liest du das gerne? Fühlst du dich gesehen?
Dich wirklich über deine Texte auszutauschen, kann dich beim Schreiben sehr erden. Du bist nicht allein!