Die Gedanken der anderen wiedergeben: Sachbuch, Teil I

Beim Fachbuch und beim wissenschaftlichen Text ist klar: Wir müssen alle übernommenen Gedanken, Thesen und Forschungsergebnisse belegen.

Bei Sachbüchern ist das weniger klar. Jedes geht unterschiedlich mit Belegen um. Warum kommen manche mit wenigen Nachweisen und einem überschaubaren Literaturverzeichnis aus, während andere es mit einer wissenschaftlichen Arbeit aufnehmen könnten?

Keine Vorgaben im Sachbuch

Das liegt daran, dass es für Sachbücher keine strenge Norm gibt, wann wir einen Beleg anbringen müssen. Wörtliche Zitate müssen natürlich mit Nachweis genannt werden. Wie detailliert der Rest nachprüfbar ist, entscheiden aber die Autor*innen.

Klingt zu einfach? Ist es auch.

Vertrauen in die „Realitätsversicherung“

Sachbücher machen die Welt um uns herum zugänglicher. Der Sachbuch-Forscher Michael Schikowski spricht im Podcast „Auf ein Buch“ sogar vom Sachbuch als einer „Realitätsversicherung“.

Doch oft geht es um mehr: Deutungen, Denkanstöße und Haltungen.

Deshalb ist entscheidend, dass Leser*innen den Informationen und den Inhalten vertrauen können. Belege schaffen dieses Vertrauen. Sie zeigen, worauf wir unsere Argumente aufbauen.

Belege als Qualitätsmerkmal im Sachbuch

Anspruchsvolle Zielgruppen wie Fachpersonen und wissenschaftlich Interessierte erwarten, dass auch im Sachbuch das Gebot der Redlichkeit eingehalten wird: Sind Gedanken von anderen wiedergegeben, muss da ein Nachweis hin.

Belege sind ein Qualitätsmerkmal.

Schreibhaltung beim Sachbuch

Der Abschied vom großen Anmerkungsapparat ergibt sich oft schon daraus, dass wir beim Sachbuch eine andere Schreibhaltung einnehmen als beim Fachbuch.

Unsere Rolle ist eine andere. Wir sprechen nicht zu einer Community, die sechzig Verästelungen von Forschungsdiskussionen kennt. Das Schema Fragestellung, Methode, umfangreiche Forschungsdiskussion, Ergebnisse verlassen wir auch.

Wir sprechen ein breites, sehr unterschiedliches Publikum an. Und beantworten seine Fragen. Es braucht mehr Erklärung und weniger Spezialwissen. Und es will uns als Autor, als Autorin im Buch wahrnehmen.

Was kann weg?

Aus dieser anderen Erzählstruktur folgt, dass drei Nachweisanlässe wegfallen:

a. die vollständige Sammelfußnote
Eine Konvention dürfen wir im Sachbuch beispielsweise vernachlässigen: die Sammelfußnote und das damit verknüpfte Gebot der Vollständigkeit. Kein Sachverhalt braucht im Sachbuch sieben Werke als Beleg, die Wissensgenealogien und die historische Tiefe des Wissens deutlich machen. Außer, wir machen diese Tiefe ausdrücklich zum Thema.

b. Paralleldiskurse in Fußnoten
Wenn in den Fußnoten umfangreiche Geschichten erzählt werden, ist das meist vergeblich. In Fachbüchern werden sich Fans dafür finden, in manchen Disziplinen gehört das auch zu den Schreibkonventionen, im Sachbuch kaum. Zwei Tonspuren sind eine zu viel. Es ermüdet, zwischen Text und Nachweis zu springen. Lieber entscheiden, was wichtig genug für den Haupttext ist, alles andere darf raus.

c. Verästelungen von Forschungsdiskussionen
Sie dienen in Fachbüchern oft dazu, die eigene Argumentation wasserdicht zu machen und zu zeigen, dass wir wirklich alles zum Thema wahrgenommen haben. Das ist im Sachbuch kein Darstellungsziel.

Mehr Belegstrategien

Bisher war immer von der Fußnote die Rede. Im Sachbuch gibt es noch andere Möglichkeiten, mit Nachweisen zu arbeiten. Eine davon ist, Belege und Namen im Text als erzählerisches Mittel einzusetzen. Eine weitere, mit Literaturlisten zu arbeiten. Darum wird es in Teil II gehen.

Bis dahin viel Spaß beim ersten Schritt: Knappe und kuratierte statt lange Fußnoten setzen!

Literatur

Schikowski, Michael: Sachbuch, Ratgeber, Fachbuch – Unterschiede und Überschneidungen. In: Warengruppen im Buchhandel. Grundlagen, Allgemeines Sortiment, Fachbuch. Hg. von Klaus-Wilhelm Bramann, Michael Buchmann, Michael Schikowski. Bramann Verlag: Frankfurt 2011, S. 63–94.

Sachbücher, Teil 1 (mit Michael Schikowski), in: Auf ein Buch – Der Literaturpodcast von Sebastian Aufdemkamp, Nov. 2022 (u. a. Spotify).