In der zweiten Woche ging es im Schreibmini-Adventskalender ums Überarbeiten. Weil ich meine eigenen Texte in der Regel stark redigieren muss, ist Überarbeiten für mich zu einer Art Lebensform geworden. Als Lektorin sowieso. Ohne Methodenkasten wäre ich aufgeschmissen.

Hier der Blick zurück:

8 Vermeide Satzungetüme, die deine These verschlucken. Formuliere für deine Kernaussage lieber einen kurzen Satz. Beantworte die dazugehörigen W-Fragen in eigenen Sätzen.

Wo aufgeschnappt? In der Zehn-Jahres-Jubiläumsausgabe der „Writing Tools“.

Erlebniswert: Sehr individuell. Kann Spuren von Frust enthalten. Oft gelingt es erst sehr spät im Schreibprozess, die Kernaussage klar und treffsicher zu formulieren. Hinderlich ist die Erwartung, dass die These komplett mit Begründung und Hauptargumentationslinien in einem Satz stehen müsse. Es ist in Ordnung, Punkte zu setzen.

Ziel: Verständlich schreiben und Aussagen durch kurze Sätze Nachdruck verleihen.

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9 Verzettelt? Versuche es mit einem Blitzexposé. Schreibe zehn Minuten schnell zur Frage: Was will ich wie mit meinem Text / diesem Kapitel zeigen? Fische die wichtigsten Sätze raus und ordne den Rohtext entsprechend.

Wo aufgeschnappt? In einem Schreibworkshop. Das Blitzexposé ist besonders in der akademischen Schreibdidaktik weit verbreitet.

Erlebniswert: Sehr motivierend, denn jetzt kommt heraus, wie viel man schon weiß. Wegen des Zwangs, den Gedanken sofort hinschreiben zu müssen, entstehen spontan tolle Formulierungen. Viel davon könnt ihr in Einleitung oder Kapitelhinführungen übernehmen.

Ziel: Aus den Details auftauchen, die Vogelperspektive einnehmen, sehr schnell Zusammenhänge knüpfen und große Linien ziehen.

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10 Dein Text mäandert, dreht Schleifen und springt? Stelle jedem Abschnitt einen resümierenden Satz voran. Dann siehst du, was zusammengehört, und kannst straffen. Verwende deine Hilfssätze als Übergänge, wenn sie dir gefallen.

Wo aufgeschnappt? Im Schreibratgeber von Joan Bolker, wie so vieles.

Erlebniswert: Dicht, aber sehr anstrengend, wie immer, wenn gedankliche Strukturen gut verständlich dargestellt werden sollen. Ich lese oft Texte, bei denen dieser Schritt ausgefallen ist, und finde das immer ärgerlich.

Ziel: Einen stringenten Text schaffen, in dem die Informationen gut aufeinander aufbauen, ohne Redundanzen.

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11 Wenn du deinen Text laut vorliest und zwischendrin nach Luft schnappen musst, ist der Satz, bei dem das passiert, wahrscheinlich zu lang.

Wo aufgeschnappt? Allgemeines Schreibwissen?

Erlebniswert: Sehr hoch, auch für andere. Sich selbst etwas vorzulesen, hilft dabei, Fehler zu finden und ruckelige Stellen.

Ziel: Die Vorteile gesprochener Sprache auch für den Text nutzen.

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12 Was willst du an deinem Text überarbeiten: Struktur, Wortwiederholungen, Rechtschreibung, Überleitungen? Jeder Punkt bekommt einen eigenen Durchgang.

Wo aufgeschnappt? In vielen Schreibblogs und Ratgebern.

Erlebniswert: Die Übung sorgt für einen klaren Kopf und das Gefühl, nicht alles auf einmal erledigen zu müssen. Die Zahl der einzelnen Durchgänge mag abschreckend wirken. Ich sehe aber viel mehr, wenn ich mich auf einen Aspekt konzentriere. Schneller bin ich auch – und anschließend nicht so fertig, weil ich mir einbilde, zwanzig Fäden gleichzeitig festhalten zu müssen.

Ziel: Eine große in kleine Aufgaben zerlegen.

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13 Gute Verben bewegen deinen Text, Adjektive manchmal, Substantivierungen eigentlich gar nicht. Genug Stoff für eine eigene Korrekturrunde!

Wo aufgeschnappt? Überall, wo professionell geschrieben wird. Journalistische Praktika, Redaktion, Verlag, Universität ...

Erlebniswert: Es macht mehr Spaß, einen dynamischen Text zu schreiben als Amtsdeutsch. Hier gibt es ein paar Inspirationen.

Ziel: Bessere Lesbarkeit und meist: kürzerer und prägnanterer Text. Etwas passiert und es sind Menschen, die es tun.

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14 Leserinnen und Leser freuen sich über Orientierung: Kleine Kapitel-Hinführungen und Zusammenfassungen; Übergänge, die den vorangegangenen Gedanken aufgreifen; Absätze nach Sinneinheiten; ein Personen- und Schlagwortverzeichnis.

Wo aufgeschnappt? Von sehr vielen Lehrenden im Fach Geschichte an der Uni München. Am besten nachzulesen im Essay zur Wissenschaftssprache von Valentin Groebner, Kapitel zur Lesbarkeit.

Erlebniswert: Für Leserinnen und Leser ist der Erlebniswert sicher erhöht. Man selber hat das Gefühl, sehr oft das Gleiche so ähnlich zu sagen.

Ziel: Bessere Lesbarkeit und Orientierung im Text.

Schaut doch mal in meinen Adventskalender auf Twitter und Instagram rein!

Literatur:

Joan Bolker, Writing Your Dissertation in 15 Minutes a Day. A Guide to Starting, Revising, and Finishing Your Doctoral Thesis, New York 1998.

Roy Peter Clark: Writing Tools. 55 Essential Strategies for Every Writer, New York 2016.

Valentin Groebner, Wissenschaftssprache. Eine Gebrauchsanweisung, Konstanz 2012.



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