Kennt ihr schon meinen Schreibmini-Adventskalender? Jeden Tag poste ich auf Twitter und Instagram bis Weihnachten eine kleine Idee oder einen Impuls – ausgehend von der Überzeugung, dass Schreiben lernen auch bedeutet, viele Mikro-Fähigkeiten zu trainieren. Wie die, jeden Tag in möglichst knapper Form einen Schreibtipp zu veröffentlichen.

Die erste Woche Schreibminis zum Nachlesen: Routinen

Falls ihr den einen oder anderen Schreibmini verpasst habt oder alles gebündelt nachlesen wollt: Hier kommt die Zusammenfassung – oder besser gesagt eine kommentierte Form meiner Tipps mit Literatur zum Weiterlesen. In der ersten Woche ging es um das Thema Schreibroutinen.

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1 Was würde dein Schreibtisch sehen oder hören, wenn er dich während deiner Schreibzeit beobachten könnte? Schreibe zehn Minuten darüber, ohne innezuhalten.

Wo aufgeschnappt? Zu dieser Übung wurde ich einmal in einem Schreibworkshop aufgefordert. Ich weiß noch, dass sich in mir gleich Widerstand regte: Das war weit weg von dem, womit ich mich gerade beschäftigte.

Erlebniswert: Doch schon nach zehn Minuten dachte ich anders darüber. Bei dieser Selbstbeobachtungs-Übung kommt man seinen schlechten Gewohnheiten besonders schön auf die Schliche. Wer noch nicht überzeugt ist: Ein bißchen lustig ist es auch, über sich selbst zu schreiben.

Ziel: Sich schlechter Gewohnheiten bewusst werden, um sie durch gute zu ersetzen. Idealerweise.

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2 Schreib dich täglich ruckzuck warm: Beginne heute ein Journal, in dem du zu Anfang deiner Schreibzeit zehn Minuten reflektierst – geradeheraus, nur für dich. Zu deinem Thema, der weißen Wand … . Rechts bleibt ein Drittel Rand zur Auswertung.

Wo aufgeschnappt? Das Schreibjournal wird oft empfohlen, wenn es darum geht, regelmäßig über das Schreiben nachzudenken. Literatur dazu gibt es von Gerd Bräuer.

Erlebniswert: 10 Punkte. Im Schreibjournal können wir nicht nur reflektieren, warum was wie beim Schreiben für uns funktioniert oder eben auch nicht. Das Journal ist auch eine herrliche Möglichkeit, nur für unsere Augen ohne einleitende Kompliziertheiten über unser Schreibthema nachzudenken.

Ziel: Sich Probleme und Sackgassen von der Seele schreiben und möglicherweise Lösungen und Wege erschreiben. Ganz wichtig ist deshalb immer die Auswertung des Journals: Am Rand können Kommentare hingekritzelt werden, der eine oder andere Gedanke wandert als Rohdiamant in den Text selbst.

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3 Abgelenkt? Lege heute beim Schreiben einen Zettel neben dich. Notiere dort die Gedanken, die dich unterbrechen – Buch recherchieren, Selbstkritik, tolle Ideen, Twitter – und schreib weiter. Bearbeite das später in 10 Min.

Wo aufgeschnappt? Im Schreibratgeber von Vera Anders gibt es eine entwickeltere Variante dieser Methode: den Denkzettel. Die Texterin unterteilt das Papier beispielhaft in vier Felder (Heute noch, Infos an, Gedanken, Idee).

Erlebniswert: Stellt sich später ein, wenn man die kleinen Aktivitäten, die dauernd für Unterbrechungen gesorgt hätten, in einem Rutsch erledigt.

Ziel: Schreibfokus – und die Fähigkeit unseres Gehirns nutzen, auch abseits unseres Schreibthemas gute Gedanken zu entwickeln, gerade wenn wir schreiben.

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4 Erschöpft? Verkürze heute deine Schreibzeit auf 30 Min. plus 10 Min. warmschreiben mit Freewriting. Bleibe in der Zeit konzentriert dabei, schreibe schnell und feile noch nicht an Übergängen und Satzstruktur.

Wo aufgeschnappt? In der Bibel: Joan Bolkers Schreibratgeber.

Erlebniswert: Eher wattig, je nach Müdigkeitsstärke.

Ziel: Lieber kurz und schnell in die Tasten hauen mit klarem Ende – anstatt stundenlang in den Buchstaben rumzustochern mit dem Gedanken: Ich hab ja noch den ganzen Tag.

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5 Erstelle eine Liste mit Geräuschen, die du vor jeder Schreibzeit ausschaltest. Mail-Ping, Smartphone, Spülmaschinenton im Homeoffice. Wenn dauernd was an der Aufmerksamkeit zerrt, kommt Müdigkeit auf.

Wo aufgeschnappt? Weiß ich nicht mehr. Im TED-Talk von Randy Pausch zum Zeitmanagement vom 27. November 2007?

Erlebniswert: Der soll ja eben wegfallen.

Ziel: Möglichst störungsfreie Schreibzeit.

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6 Plane deine Schreibzeit mindestens einen Tag im Voraus. Konzentriere dich pro Schreibeinheit auf einen Aspekt: ein Argument, einen kleinen Problemkreis, einen Dialog oder eine Szene. Alles andere: später.

Wo aufgeschnappt? An der Uni beim Kaffeetrinken.

Erlebniswert: Befreiend. Am Anfang ist die Konzentration auf einen Aspekt schwierig, weil unser Gehirn dauernd springen will. Nach Gewöhnung klappt es gut, sich voll auf eine Sache einzulassen und den belastenden Restberg auf die Seite zu schieben. Sich mehr vorzunehmen, sorgt nur für ein Gefühl der Hetze und des Sich-nicht-Vertiefen-Könnens, weil man ja sowieso weiter muss.

Ziel: Zwingt uns irgendwann zu gut durchdachten Textblöcken und vermeidet das Gefühl von: Ja, dazu habe ich was geschrieben, aber das war noch nicht so vollständig ...

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7 Widerstehe am Ende deiner Schreibzeit der Versuchung, sofort den Griffel fallen zu lassen. Egal, wie bedient du bist: Nimm dir ein paar Minuten Zeit, um wenige Stichworte für den Wiedereinstieg zu tippen oder zu kritzeln.

Wo aufgeschnappt? Siehe Schreibmini 6.

Erlebniswert: Das ist kein Wohlfühltipp. Die Freude stellt sich erst am nächsten Tag ein.

Ziel: Den Schwung und das Im-Thema-Sein nutzen, um den Einstieg am nächsten Tag zu erleichtern.

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Literatur:

Vera Anders, Schreib und das Leben wird leicht, 2020.

Joan Bolker, Writing Your Dissertation in 15 Minutes a Day. A Guide to Starting, Revising, and Finishing Your Doctoral Thesis, New York 1998.

Gerd Bräuer, Schreiben als reflexive Praxis: Tagebuch, Arbeitsjournal, Portfolio, Freiburg 2000.

Randy Pausch, TED-Talk Time Management v. 27.11.2007,
www.youtube.com/watch?v=oTugjssqOT0&t=178s