Einleitungen gehören zu den eher unbeliebten Schreibaufgaben. Mit den am Buchbeginn formulierten Gedanken sind hohe Erwartungen verbunden, der Einstieg gilt als prägend für das gesamte Leseerlebnis. Deshalb heißt es oft, wir sollen die Einleitung erst dann schreiben, wenn unser Wissen über das Buch auf dem Höhepunkt ist: zuletzt, mit der Geste des Überblicks.

Bis zum Schluss mit der Einleitung zu warten, hat jedoch Nachteile. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Die Zeit arbeitet gegen uns. Am Ende muss es schnell gehen. Dann kann es passieren, dass die rasch zusammengestückte Einleitung wie ein Fremdkörper wirkt, formelhaft und künstlich aufgepfropft.

Wir können die Einleitung aber auch anders denken – und schon während des gesamten Schreibprozesses als Kompass, Denkwerkzeug und positive Ressource nutzen. Die Arbeit an der Einleitung beginnt dann in dem Moment, in dem wir die Arbeit am Buch selbst aufnehmen. Die Einleitung entwickelt sich mit dem Buch und wächst mit unserem Denken und Wissen mit.

1. Warum ist das sinnvoll? Das hängt mit der Funktion der Einleitung zusammen: Ihr Ziel ist es, Kernaussagen und Thesen des Buchs einzuführen sowie Leserinnen und Lesern eine Idee davon zu vermitteln, wie und warum wir ihnen was mitgeben.

Das gilt für viele Textgrenres, nicht nur für wissenschaftliche Arbeiten. Auch in einem erzählenden Sachbuch darüber, wie ich eine Brücke über den Amazonas gebaut habe, habe ich Kernbotschaften. Geht es darum, dass ich auch gegen den zähesten Widerstand der Natur alles erreichen kann? Oder vielmehr darum, dass ich mit der Natur arbeiten muss?

2. Wie setze ich eine Arbeitseinleitung auf? Während des gesamten Schreibprozesses brauchen wir einen Ort, an dem wir uns über die Kernaussagen des Buchs sowie über die damit verbundenen Geschichten Gedanken machen. Dieser Ort kann ein Dokument sein, ein Notizbuch oder eine Überschrift in der Schreibdatei, angelegt in der Ideen- und Konzeptphase.

Vielleicht ist die Kernbotschaft am Anfang noch sehr vage. Manchmal können wir sie erst durch Schreiben an einzelnen Kapiteln oder Aspekten genauer einfangen. Bis wir dahin kommen, in wenigen Sätzen selbstsicher und klar zu sagen, worum es im Buch geht, kann es dauern.

Die Schreibdidaktikerin Helga Esselborn-Krumbiegel schlägt vor, zu Beginn „locker“ eine Einleitung zu formulieren und „ins Unreine“ zu schreiben. Ich finde, die Rumpfeinleitung muss nicht einmal ein Text sein. Eine basale Stichwortsammlung geht auch, um davon ausgehend einen roten Faden zu entwickeln, zu dem wir immer wieder zurückkehren können: zur Orientierung, Vergewisserung oder, um die Kerngedanken zu präzisieren.

3. Wie arbeite ich nun während des Schreibens mit meinem Einleitungsrumpf?
Diese Fragen helfen dabei.

  • Was hat das, was ich gerade schreibe, mit den Kerngedanken in der Rumpfeinleitung zu tun?
  • Wie könnte ich die Verbindung zur Kernaussage in dem entsprechenden Teilkapitel deutlich machen, um Leserinnen und Leser besser zu orientieren?
  • Kommen mir während des Schreibens Gedanken, die dazu beitragen, die Kernaussage zu differenzieren, zu ergänzen, sie besser zuzuschneiden?
  • Trägt mein Schreiben in den Teilkapiteln dazu bei, den Kerngedanken noch konzentrierter, kürzer und klarer zu fassen?

Wie genau wir mit der Rumpfanleitung denken und schreiben, hängt auch davon ab, welcher Schreibtyp wir sind.

4. Verschiedene Wege zum Ziel : Was mache ich als Strukturschafferin, was als Planer?

  • Für die Strukturschafferinnen und -schaffer, die eher grob planen und gern früh drauflosschreiben: Hier helfen kurze Freewriting-Sessions oder Schreibsprints zur Frage: Was will ich sagen? Für diesen Schreibtyp ist die Arbeitseinleitung besonders wichtig, denn er oder sie formuliert Ideen überhaupt erst über das Schreiben und muss dies gut dokumentieren, um sich im Prozess nicht zu verzetteln.

  • Für Planerinnen und Planer macht es möglicherweise Sinn, die Einleitung als detaillierte Sammlung von Gliederungspunkten schon einmal vorzustrukturieren und während des Schreibens im Blick zu behalten.

5. Wie sehen die letzten Schritte aus?
Die Einleitung auszuformulieren, gehört dann wirklich ans Ende des Schreibprozesses. Einer der letzten Schritte sollte außerdem sein, Einleitung und Schluss gut aufeinander abzustimmen, um das Buch harmonisch einzurahmen.

Fazit: Mit dieser Methode stellen wir sicher, dass wir immer in enger Verbindung mit dem Ziel des Texts bleiben – und erkennen gleichzeitig an, dass Schreiben ein dynamischer Prozess ist und wir offen für Verschiebungen und Neues bleiben.

Literatur:

Helga Esselborn-Krumbiegel, Von der Idee zum Text. Eine Anleitung zum wissenschaftlichen Schreiben, 3. Auflage, Paderborn u. a. 2008.



Weiterlesen
Schreibtipps aus dem Leben (2): Unbequeme Anfänge